Theraplay

Informationen zu Theraplay

Geschichte
Ann Jernberg (1928-1994), die Begründerin von Theraplay, war als Psychologin in Chicago in der Head Start Bewegung für die psychologische Betreuung von sozial benachteiligten Kindern verantwortlich.

Ann M. Jernberg

Ph. D. mult. Psychologin, musste ihr Geburtsland Deutschland 1939 wegen Verfolgung durch die Nationalsozialisten verlassen. Sie studierte Psychologie an der Universität in Chicago, promovierte sowohl in Liberal Arts als auch in Human Development, leitete eine Abteilung für Psychiatrie an der Universität Chicago, forschte an der School of Social Services mit seelisch gestörten Vorschulkindern und deren Eltern. war von 1960-1970 leitende Psychologin am Michael Reese Hospital in Chicago und supervidierte das Personal des Psychologischen Dienstes. Seit 1967 war sie verantwortlich für das „Head Start Project“ in Chicago und entwickelte dafür die Interventionsmethode Theraplay, mit der in Eltern-Kind-Zentren jährlich bis zu 5000 Kinder und Jugendliche mit sozio-emotionalen Verhaltensauffälligkeiten betreut werden konnten. Sie gründete The Theraplay Institute und bildete zahllose Theraplay Therapeut/innen aus. Ulrike Franke wurde von Ann M. Jernberg zur Theraplay Therapeutin ausgebildet.

Sie fand, daß die nondirektive Spieltherapie von Virginia Axline solchen Kindern nicht ausreichend helfen konnte, außerdem zu zeitaufwendig, also zu teuer war. Sie suchte nach anderen Möglichkeiten, um Kindern mit sozio-emotionalen Störungen zu helfen. Sie fand diese in der ungewöhnlichen therapeutischen Vorgehensweise der Therapeuten Austin DesLauriers und Viola Brody und kombinierte sie mit den Verhaltensweisen aus gesunden Eltern-Kleinkind-Interaktionen. Für dieses Therapiemodell suchte sie anfangs Mütter, Sozialarbeiter, Lehrer, also Menschen, die lebendig und verantwortungsvoll waren, spielerisch sein konnten und die Kinder in eine Interaktion verwickeln konnten. Mit ihnen machte Ann Jernberg ihre ersten Schritte für eine neue Form der Therapie für Kinder mit sozio-emotionalen Kindern und nannte sie Theraplay.

Wurzeln
Theraplay hat seine Wurzeln sowohl in den wissenschaftlichen Theorien der interaktiven kindlichen Entwicklung, in der Bindungstheorie, in der Entwicklungspsychologie als auch im praktischen Umgang mit Kindern. Sie macht Anleihen bei der Verhaltenstherapie, dem systemischen Ansatz, der Theorie des sozialen Lernens und hält sich offen für neue Theoriebildungen und klinische Praktiken, die in das Konzept passen und wirksam sind. Das bedeutet, dass sich Theraplay zusammensetzt aus einer sinnvollen Kombination verschiedenster bewährter Elemente und die je nach Kind neu angewandt werden. Gemäß J.W. von Goethe: „Eines schickt sich nicht für alle.“

Was ist anders?
Theraplay unterscheidet sich von anderen Kindertherapien in folgenden Punkten (Jernberg und Booth 1999):
- Die Theraplay Therapeutin als Erwachsene hat das Heft in der Hand. Sie plant und strukturiert die Therapiesitzung sehr sorgfältig und achtet auf die Bedürfnisse des Kindes, unterscheidet sie von seinen Wünschen. Insoweit ist Theraplay eine direktive Spieltherapie.
- Das primäre Ziel der Therapeutin ist die Beziehung zu dem Kind. Sie bleibt dran, auch wenn sich das Kind der Interaktion erst einmal entziehen will. Die Interaktion von Kind und Therapeutin ist wichtiger, als sich auf die vorhandenen seelischen Konflikte zu konzentrieren.
- Neben Fürsorge und Berührung ist der Aufbau von einem Gefühl der Sicherheit notwendiger Bestandteil der Interaktion.
- Angesichts von Widerstand des Kindes, ob er nun passiv oder aktiv ist, bleibt die Therapeutin ruhig und klar. Wird das Kind ärgerlich, steht die Therapeutin wie ein Fels in der Brandung während des Zornausbruchs zu dem Kind, akzeptiert es so, wie es ist.
- Die Behandlung enthält neben fürsorglichen, strukturierenden und stimulierenden auch herausfordernde Elemente. Eine wichtige Rolle spielen die Rituale, die helfen, dem Kind Sicherheit zu geben. Spielsachen finden ebensowenig Einlaß in die Therapie wie symbolisches Spiel. Probleme werden nicht diskutiert.
- Die Behandlung spielt sich auf dem emotionalen Entwicklungsstand des Kindes ab. Daher kommen auch Spiele zum Einsatz, die man als nicht adäquat für ein Kind in diesem Alter bezeichnen könnte.
- Eltern werden über die Therapie sehr gut informiert. Sie haben meist die Möglichkeit, mitzumachen oder per Videoübertragung bzw. durch eine Einwegscheibe die Behandlung ihres Kindes beobachten zu können. Dadurch lernen sie beiläufig die therapeutischen Instrumente wie Spiele oder Verse kennen und können diese auch zu Hause anbieten.

Ziele
Da wir von der Annahme ausgehen, daß ein Kind sich entsprechend seinem Selbstbild verhält und fühlt, will Theraplay den Kindern ein gutes, positives Selbstbild geben. In einer gut strukturierten und planvoll durchgeführten Interaktion lernen die Kinder, sich oder die Menschen um sich herum anders zu fühlen oder zu kommunizieren. Dabei fühlen sie sich wohler.
Ähnlich ist es bei Bezugspersonen, die sich unsicher oder unwohl im Kontakt mit dem Kind fühlen. Auch sie erfahren im gemeinsamen spielen mehr Sicherheit, mehr Unbeschwertheit und Nähe.
Bei entwicklungsverzögerten und –gestörten Kindern kann das Ziel erst einmal darin bestehen, daß die Aufmerksamkeit, die Wahrnehmungsfähigkeiten und damit auch das Sprachverständnis des Kindes aufgebaut werden. Sie müssen als wichtige und bewährte Impulse zur Entwicklung gesehen werden. Bei anderen Kindern steht beispielsweise das Vertrauen in sich und in die Welt im Mittelpunkt.
Bei autistischen Kindern können die Ziele wieder anders sein, manchmal braucht es ein spiegelndes Gegenüber und maßgeschneiderte Anregungen zum Spielen, dass das Kind sich öffnen kann.

Indikationen
Theraplay ist geeignet als therapeutische Maßnahme für sozio-emotional gestörte Kinder. Lesen Sie hier ausführlicher darüber.
Speziell bei spracherwerbsgestörten Kindern hat sich Theraplay bewährt als Vorbereitung z.B. für eine logopädische Therapie. Dabei handelt es sich um Kinder, die nicht die nötige Aufmerksamkeit und Konzentration für die Bemühungen der Logopäden aufbringen können, die nicht mitarbeiten wollen oder können, deren Sprachverständnis sehr niedrig ist, deren Kommunikationsverhalten (z.B. Blickkontakt) nicht ausreichend entwickelt ist oder die blockiert erscheinen, die notwendigen sprachlichen und entwicklungsmäßigen Schritte zu vollziehen. Theraplay gibt ihnen ihrem Bedürfnis gemäß das, was sie brauchen, um sich und die Umwelt besser wahrzunehmen, zu verstehen, zu akzeptieren, mit Menschen zu kommunizieren und zu interagieren, also ein gutes Selbstbild zu haben.

Setting
Theraplay ist eine Kurzzeittherapie. Das bedeutet, dass sich recht rasch Veränderungen zeigen. Wie lange dann therapiert wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise, ob der Arzt weitere Rezepte ausstellt, ob die Eltern zufrieden oder nicht zufrieden mit dem erreichten Stand sind. Die Eltern werden einbezogen und in Gesprächen gut informiert, damit sie lernen oder als Mediatoren helfen können, die Therapiefortschritte zu festigen.

Theraplay kann in verschiedenen Formen durchgeführt werden a) mit den Eltern oder Bezugspersonen (Artikel "Mama macht mit")

mit Eltern bzw. Bezugspersonen

oder b) in einem Einzelsetting bzw.

Einzelsetting

c) in der Gruppe

In der Gruppe

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Therapiemethodik
Eine oder bei sehr unruhigen oder älteren Kindern zwei Theraplay-Therapeutinnen machen dem Kind in einer klar strukturierten Spielsituation Beziehungsangebote, die zu einer gelungenen, positiven, optimistischen Interaktion führen sollen. Das beim Kind daraus entstehende Vertrauen und Sicherheitsgefühl ermöglicht der Therapeutin, mit ihm eine das Selbstbewußtsein aufbauende Beziehung herzustellen. Das Kind erhält ganz individuelle Beziehungs- und Spielangebote, die sich nach seinen Bedürfnissen richten. Diese Angebote sind - grob eingeteilt - zum einen Rituale, die die Sicherheit des Kindes verbessern und es beruhigen. Zum anderen sind es Spiele, die ihm altersangemessene Struktur vermitteln und sein Bewußtsein von sich selbst verbessern. Oder aber die es herausfordern und seine Wahrnehmung steuern und optimieren.
Wenn möglich und nötig wird die Bezugsperson therapeutisch begleitet und erfährt Entlastung, Erholung von den Schwierigkeiten mit dem Kind oder auch Anregung im Umgang mit ihm.


Literatur:
Jernberg, A. u. Booth, P.: Theraplay. Helping Parents and Children Build Better Relationships Through Attachment-Based Play. San Francisco: Jossey Bass 19992